Hm, in dem Drecksloch, aus dem ich komme, einer Kleinstadt hinter dem Ural, herrscht seit Jahren ungebrochen ein Bauboom. Die Leute bauen sich neue Häuser, oder renovieren die alten, kaufen sich neue Autos, die Straßen, Parks, Spielplätze werden neu gemacht. Es werden neue Einkaufszentren eröffnet mit blinkender Leuchtreklame davor (etwas vorher ganz und gar ungesehenes). Keine Ahnung woher plötzlich das Geld kommt. Davor war der Ort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion praktisch Jahrzehnte lang im Dornröschenschlaf. Ein bisschen mysteriös ist das alles. Muss mal wieder den Kontakt zu meinen ehemaligen Mitschülern aufnehmen, oder meine Halbschwester in Jekaterinburg endlich mal wieder anschreiben. Hatten auch seit Jahren keinen Kontakt mehr und die mal fragen, was da los ist.
Eine Zweiraumwohnung mieten, ansonsten Fußboden mit Malerflies oder altem Teppich abdecken und gut lüften. Habe meine professionelle Künstlerkarriere auch aus einer Einraum-Plattenbauwohnung begonnen. Geht alles.
Wenn du Russisch gut kannst, ist Ukrainisch einfacher zu lernen umgekehrt genauso. Wenn du als Deutscher beide Sprachen gleichzeitig lernst, hängt es vermutlich davon ab, in welche Sprache du mehr Zeit und Mühe investiert, bzw. welche Sprache du zuerst angefangen hast, die kommt dir dann vermutlich einfacher vor.
Ich bin auch kein Deutschrusse, ich bin Russlanddeutscher. Deutschrussen sind ethnische Russen, bzw. russische Staatsbürger die auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Russlanddeutsch ist so eine Art Sammelbegriff für ethnische Deutsche, die aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion stammen. Ein Kontingentflüchtling kann ein Deutschrusse werden, sobald er die deutsche Staatsangehörigkeit annimmt, das ist also durchaus richtig. Bei Russlanddeutschen gilt das höchstens für mitgebrachte nichtdeutsche Ehepartner. Das ist der Unterschied.
Блять!
PS. Ich denke, damit ist alles gesagt.
Ich kenne einen "Biodeutschen", der ist in den USA aufgewachsen und spricht dementsprechend einwandfrei Englisch. Mittlerweile lebt er seit langem in Berlin und spricht dort, eigenen Angaben nach, häufiger Englisch im Alltag als Deutsch. Ist er jetzt für dich ein Amerikaner?
Bei Russlanddeutschen ist es etwas speziell. Einerseits wurde ihre Sprache und Kultur dort nach dem Krieg verboten, so dass die nachfolgenden Generationen praktisch ohne aufgewachsen sind. Andererseits müssten sie ihre deutsche Abstammung trotzdem wie eine Brandmarke mit sich rumtragen und wurden deswegen diskriminiert und benachteiligt. Bei einigen hat das zu so einer Art Überidentifikation mit ihrer deutschen Identität geführt. Einerseits sprachen sie nur noch ganz schlecht Deutsch und waren zum Schluss fast nur noch in der russischen Kultur unterwegs, andererseits identifizierten sie sich so sehr mit ihrer deutschen "Brandmarke", wegen der sie so gelitten haben, dass sie bis auf den Tod beleidigt waren, wenn du sie "Russen" nanntest.
Das ist ein Phänomen, das vermutlich so nur bei den Russlanddeutschen vorkommt. Aber eigentlich auch nur bei den Älteren. Vor allem bei den Boomern, weil es sie diesbezüglich am härtesten getroffen hat. Einerseits sind sie nicht mehr in den deutschen Kolonien an der Wolga oder in der Ukraine aufgewachsen, sondern in der Verbannung in Sibirien und Kasachstan und mussten sich stark an die russische Kultur anpassen, andererseits wurden sie noch oft wegen ihrer deutschen Herkunft erniedrigt und diskriminiert. Da hast du viele solche Fälle.
Die "Russaken", so nannten wir intern unter uns damals in den 90ern die stark assimilierten und gemischten Familien, die dann irgendwann mal mit ruberschwappten, kennen solche Probleme nicht. Sie wurden dort als Russen wahrgenommen und haben davon profitiert, die deutsche Uroma auf dem Dorf, für die man sich geschämt hat, wurde einfach verschwiegen. Hier in Deutschland sorgte aber diese Uroma, dass alle ihre direkten Nachkommen von ihr sofort die deutsche Staatsangehörigkeit bekamen. So ist halt das Gesetz. Wenn du hier als Deutscher einen Ausländer heiratest, sind deine Kinder ja trotzdem durch dich automatisch deutsch, und wenn die alle auch Ausländer heiraten, sind die Enkel trotzdem auch deutsch. Dasselbe Prinzip gilt auch für Volksdeutsche.
So profitieren sie hier wiederum davon, Deutsche zu sein, zumindest im Vergleich zu den anderen Einwanderungsgruppen, leben aber ihr Russenturm feucht, fröhlich und ungeniert weiter, nur jetzt seit dem Krieg kommen sie etwas in die Bredouille und müssen sich erklären. Da hat dann der eine oder der andere vielleicht doch plötzlich seine deutsche Abstammung entdeckt.
Ich weiß nicht. Als Russlanddeutscher habe ich mit solchen Leuten kaum zu tun, kenne aber durchaus welche, die an der oben beschriebenen Art der Überidentifikation leiden, aber das war bei denen schon immer so.
Sagen sie doch selbst. Und wenn die "Selbstreinigungskräfte" des deutschen Volkes erstmal aktiviert sind, erwischt es früher oder später jeden, also auch dich und mich, Christinchen. Mach dir da mal keine Illusionen.
In den 90ern ja. Immer wieder krasse Anfeindungen erlebt. Zur Zeit nicht und schon lange nicht mehr. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich als Russlanddeutscher hier kaum noch auffalle.
Moin, Moin,
du müsstest natürlich schreiben, welche Epoche dich interessiert, denn die Sowjetunion durchlebte mehrere sehr unterschiedliche Phasen, die meisten Leute, die dort gelebt haben, erinnern sich aber nur an die letzten beiden, und in die vorletzte, die bis ca. 1985 dauerte, wünschen sich viele zurück. Und es ist natürlich auch ein Unterschied, wo du dort gelebt hast. Zwischen Moskau und dem sprichwörtlichen sibirischen Muchosransk lagen damals schon Welten.
Was war schlecht an der Sowjetunion.
Zuallererst: Es gab kein Klopapier. Für den Deutschen, der vor allem in Krisenzeiten dieses überaus wertvolle Kulturgut gerne in größeren Mengen hortet, ist das jetzt vermutlich ein Schock, aber es war so, ich habe das fast nirgendwo gesehen. Vielleicht in Hotels für ausländische Touristen oder in Politbüros der Parteibonzen gab es welches. Aber nicht bei uns. Bevor du dich jetzt fragst: "Wie geht denn das, wie funktioniert das Leben ohne das wichtigste Kulturgut, das die Menschheit jemals hervorgebracht hat?" - sage ich: "Es geht, es geht sogar ganz wunderbar." Du setzt dich einfach auf dein Plumsklo am Ende des Gemüsegartens, hörst bedächtig dem Geheul der Wölfe in der nahe gelegenen Taiga zu, reisst dir ein Stück von der aktuellen Tageszeitung ab, denn dafür hast du sie ja abonniert und nicht etwa zum Lesen, am besten du erwischst ene Seite mit dem Konterfei von Breschnew oder einem anderem wichtigen Politbürofuzzi, zerknittert das ein bisschen zwischen den Händen und wischst dir damit genüsslich nicht ohne eine gewisse Genugtuung den Hintern ab. Dabei liest du nebenbei den Sportteil, denn das war der einzige Teil, wo einigermaßen die Wahrheit geschrieben wurde. Falls du dir Sorgen um unsere sowjetischen Ärsche machst: die waren robust und abgehärtet wie fast alles im Land, ein bisschen Druckerschwärze und raues Zeitungspapier machten denen nichts aus.
Was war noch alles schlecht? Es gab bei uns leider so gut wie nie Plombir-Eis zu kaufen und das war so ziemlich das beste Produkt, was die Sowjetunion je hervorgebracht hat. Am Vorhandensein des Plombir-Eises im heimischen Supermarkt konnte man die verschiedenen Versorgungsstufen, die in der Sowjetunion existierten, sehr gut studieren. Bei uns in der Kleinstadt hinter dem Ural wurde vielleicht 2-3 mal im Jahr eine Ladung gebracht, die Hälfte davon haben die Verkäufer gleich für sich und Freunde und Bekannte zur Seite geschafft, der Rest wurde "rausgeschmissen" wie man bei uns so sagte. Es bildete sich sofort eine lange Schlange, und im Nu war alles ausverkauft. In der nächsten Großstadt, einer Industriestadt mit ca. hunderttausend Einwohern gab es das schon regelmäßig. In der Gebietshauptstadt Swerdlowsk gab es an jeder Ecke im Kiosk mindestens zwei Sorten: Sahne, Erdbeere oder vielleicht sogar Schokolade. Wenn unser Zug dort etwas länger anhielt, rannten wir sofort als Kinder zum Bahnhofskiosk und kauften uns welches. Und in Moskau und Leningrad hattest du an jeder Ecke mindestens fünf Sorten zur Auswahl, auch Eis am Stiel oder das Sandwich-Eis mit Sahneeis zwischen den Waffeln.
Zum Vergleich: Hier in Deutschland gibt es in jedem etwas stärker von Russen bewohnten Viertel russisches Plombir-Eis einfach im deutschen Supermarkt. Lidl hat es in Form von Familienpakungen, und bei Rewe gibt es auch einzelne Sorten für 60 Cent pro Stück im Kühlregal. Und alles "made in Germany", musst nicht mal ein schlechtes Gewissen haben, wenn du deine Lieblingssorte mit Genuss schleckst, dass du damit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt. Das ist Kapitalismus. Wenn die Nachfrage da ist, gibt es auch ein Angebot. Bei uns hieß es eher: "Das was wir nicht haben, brauchen Sie nicht." - und man war anscheinend der Meinung, das die Kinder auf dem Land, anders als die Kinder in Moskau, kein Plombir-Eis brauchten.
Was war gut an der Sowjetunion? Alles war gut, ausser das, was schlecht war, und das meiste habe ich ja schon aufgezählt. 😁
Die Leute gingen arbeiten. Wohl gemerkt, sie gingen zur Arbeit, ob sie wirklich gearbeitet haben, war eine andere Sache. Meine Mutter meinte, immer wenn in ihrer Zeche Not am man Mann war, wurden die Schlosser aus der Reparaturabteilung zur Unterstützung geschickt, nach kurzer Zeit liefen sie heulend davon, sie waren eher gewohnt den ganzen Tag in ihrem Kabuff Karten zu spielen, als zu arbeiten. Nach der Arbeit traf man sich. Es wurde viel gefeiert und es floß auch jede Menge Alkohol. Alle waren gut gelaunt. Die Kinder wurden permanent betreut in diversen meist kostenlosen Freizeiteinrichtungen, wie dem Klub der jungen Pioniere, wo man Schachspielen oder löten lernte, Kunst- Musik und Theaterschulen gab es fast in jedem Dorf (das ist jetzt nicht übertrieben) man lerne malen, zeichnen, Klavier spielen oder rezitierte Gedichte von Puschkin oder Jesenin vor versammeltem Publikum im örtlichen Kulturklub. Jeder konnte das.
Die Schulen waren gepflegt und sauber. Die Eltern haben sie selbst in den Ferien renoviert. Es war für mich ein Schock als ich 1991 in Ostdeutschland in Leipzig ankam. Da hing in der Schule die uralte Tapete von der Wand und die Farbe blätterte ab. Überhaupt, Leipzig war eine Ruine damals, wir konnten es gar nicht verstehen, immerhin war das mal die zweitgrößte Stadt der ehemaligen DDR. Aber es gab in Sachsen viele schmucke Kleinstädte, die fand ich toll, da war ich immer gern zu Besuch und habe mir die Sehenswürdigkeiten angeschaut.
Bei uns war das anders. Die Leute mussten sich um vieles selbst kümmern, auch in gewissen Abständen die Straßen und die Höfe in den Städten selbst aufräumen, "Subbotniks" nannte man das von "Subbota"- Samstag, das war eigentlich ein Arbeitstag, aber die Leute wurden von ihren Betrieben zum Aufräumen und Saubermachen in die Stadt abkommandiert und feierten das ab. Es stärkte das Gemeinschaftsgefühl.
Die Lehrer bei uns in der Schule waren super drauf. Die schlimmsten würde ich als "hart aber fair" bezeichnen. Die meisten liebten ihren Job und waren total an unserem schulischem Erfolg interessiert. Ich war da gerne auch ausserhalb der Schulzeit und hing viel in der Schulbibliothek rum im Kunst- und Musikraum oder im neuen Computerraum. Nur das Schulkantinenessen war so lala, aber das ist es wohl überall. Nach unserer Übersiedlung nach Deutschland war das hiesige Schulsystem bis zum Abi für mich ein Spaziergang. In der Perestroikazeit haben wir auch gegen unsere Lehrer rebelliert und keine Schuluniformen mehr getragen, aber auch das haben sie unterstützt. Wir hatten einen sehr fortschrittlichen Schuldirektor, der an der Gründung der ersten demokratischen Partei bei uns im Landkreis mitbeteiligt war, und der hat lauter experimentierfreudige junge Lehrkräfte aus der Großstadt angelockt, die bei uns sich austoben durften und Dinge ausprobieren, die in der Großstadt noch Tabu waren. Unsere junge Klassenlehrerin kam nach der Uni aus Swerdlowsk zu uns und hat wohl nebenbei heimlich an ihrer Dissertation zum Thema "Lehrer und Schüler - Freunde." gearbeitet, und wir waren ihre Versuchskaninchen. Deswegen hing sie ständig auch in der Freizeit mit uns rum, machte mit uns viele Ausflüge, diskutierte mit uns über alles Mögliche, und hat nebenbei auch ganz vorzüglich Gitarre gespielt und gesungen. Wir haben sie vergöttert. Westliche Musik und Kleidung waren dann irgendwann mal auch erlaubt und man war die ganze Zeit damit beschäftigt die Alben der neuesten Bands irgendwo zu finden und auf Kassetten aufzunehmen.
Unsere Eltern waren zeitgleich allerdings eher damit beschäftigt die nötigsten Sachen zum Überleben zu organisieren, es verschwanden nach und nach fast alle Artikel aus den Supermärkten, die Lebensmittel wurden rationiert, es gab Lebensmittelkarten, und man musste stundenlang elend lange Schlangen vor den Geschäften stehen, um irgendwas zu ergattern. Die Leute waren aber auch da noch gut gelaunt, scherzten und alberten in der Schlange stehend rum selbst bei -30C° Außentemperatur (wie gesagt, wie waren alle ziemlich robust und abgehärtet), erzählten sich Geschichten und betrachteten die Schlangen als einen neuen, heissen Treffpunkt für Freunde und Bekannte, wo man den neuesten Tratsch erfuhr. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Tja und dann brach plötzlich alles zusammen.
Schau mal bei Gelegenheit in deinen Personalausweis, steht da: "du bist eine Katze, die in einem Kuhstall geboren ist", oder steht da "deutsch"? Darauf kommt es an. Und natürlich auch darauf, ob du mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehst, dessen 75 Jahrestag wir heute feiern 🥳🎉🍺. Alles andere ist in dem Fall irrelevant.
Ja, du hast allerdings die Deutschen aus anderen Regionen der Sowjetunion vergessen. Teilweise wurden schon nach Deutschland geflüchteten und hier eingebürgerten Schwarzmeer- und Wolyniendeutschen wieder zurück geholt. Insgesamt waren es ca. 2 Mio., also praktisch die gesamte deutsche Bevölkerung der SU.
Aber Stalin war schon eine Nummer für sich. Würde ich nicht mit Hitler vergleichen. Und die Sowjetunion mit dem dritten Reich schon gar nicht. Allein schon deswegen, weil sie über einen viel längeren Zeitraum existierte, während dessen sie mehrere völlig verschiedene Phasen durchlebte.
Der Morgen ist zum schlafen da.
Ja, man erkennt dich am Akzent, der ist bei dir deutlich genug, dass man nach ein paar Sätzen schon in die richtige Richtung denkt. Wenn der Akzent eher schwach ist, dann würde man es immer noch an der Melodie erkennen, wobei dann wird's wirklich schwierig einen Polen von einem Russen zu unterscheiden, weil die Melodien der slawischen Sprachen sich ähneln.
Aussehen ist auch ein Indiz. Vor allem die"Vierteldeutschen" unter uns kann man schon ganz gut an den eher russischen Gesichtszügen erkennen, wenn dann noch der Akzent dazukommt, ist das Gesamtbild perfekt. "Biodeutsche" erkennen das alles in der Regel nicht, für sie ist das alles ein Buch mit sieben Siegeln. Woher auch. Aber wir kennen natürlich unsere Pappenheimer. Vielleicht solltest du in ein rein deutsches Viertel ziehen, da würdest du problemlos als Polin durchgehen, denke ich.
Aber falls dich das tröstet. Meine Frau habe ich damals auch nur kennengelernt, weil ich sie fälschlicherweise für eine Russin hielt. Ich war mir meiner Sache so sicher, dass ich sie sogar auf der Tanzfläche auf Russisch gefragt habe, was sie denn in diesem versifften Punkladen wohl macht. Sie hat's natürlich nicht verstanden, aber so kamen wir ins Gespräch. Das war wohl die folgenreichste Verwechslung meines Lebens. Und ich bin sogar ganz gut im "Russenerkennen". Es gibt also auch Deutsche, die wie Russen aussehen, aber wenn dann noch der Akzent dazukommt, dann ist die Sache ziemlich klar.
Ich habe das alles, was da oben steht, nur nicht das Asperger Syndrom.
Ich würde das erstmal im Freundes- Bekanntenkreis versuchen. Hab ich auch so gemacht am Anfang. Damals gab es allerdings noch kein Internet bzw. das Medium steckte noch in den Kinderschuhen. Das ganze mündete schließlich in einem handfesten Kunststudium und in einer erfolgreichen Künstlerselbständigkeit. Porträtaufträge mache ich allerdings schon lange nicht mehr.
Moin Christina, Deutschland ist unsere historische Heimat, was anderes behauptet niemand. Unsere neue Heimat war bis 1943 die Ukraine, dann kamen wieder zwei Jahre Deutschland, und dann ging es plötzlich nach Sibirien in den Gulag. Russland ist nicht wirklich unsere Heimat sondern lediglich der Verbannungsort unserer Eltern und Großeltern, freiwillig wären wir dort nie gelandet. Auf der Suche nach neuem Land gingen unsere Vorfahren schon um 1900 eher nach Kanada als weiter ins Zarenreich hinein, deswegen habe ich jetzt auch viele entfernte Verwandte dort. Bei Wolgadeutschen war das freilich anders.
Und ja, wir sprachen Deutsch auch zu Hause in Russland bis zum Schluss, es ist tatsächlich meine zweite Muttersprache, so wie für viele Einwanderer hier Russisch oder Türkisch. Hier in Deutschland hat sich das Verhältnis der Sprachen zueinander praktisch umgedreht.
Da liegt mit der Kiewer Rus der Ursprung des gesamten russischen Reiches. Die "Stan"-Länder sind geschichtlich und kulturell nicht so eng mit Russland verbunden, manche Gebiete kamen erst im 19 Jahrhundert dazu. Die Verbindung mit der Ukraine ist viel älter, der Verlust wird als größer und schmerzhafter empfunden und der Wunsch sich das Verlorene zurückzuholen ist dementsprechend stärker.
Sie wurden vorher nicht aus der Sowjetunion rausgelassen, das ist der Grund, warum die meisten erst in den späten 80ern und 90ern hierher kamen.
Ich bin im asiatischen Teil Russlands geboren, halte mich aber trotzdem nicht für einen Asiaten, obwohl ich sogar zu einem Viertel indigenes Blut aus der Gegend habe. Alles also eine Sache der Betrachtung.
Ja, klar.