An die Mathematiker: Wie habt ihr euer Mathestudium empfunden?

2 Antworten

Was mochtet ihr besonders daran?

Die Mitstudenten sind sehr freundlich & man kennt sich untereinander, weil man im höheren Semester (zumindest bei mir) nur aus max. 20 Leuten besteht.

Insgesamt wurde ich von allen als Mensch behandelt, der sich bei Beweisen auch mal irren kann. Das ist wichtig, denn Mathematiker werden oft als Roboter verurteilt.

Und natürlich mag ich Mathematik im Allgemeinen. Ohne Interesse kann man das Studium nicht absolvieren.

Was weniger?

Dass manche Aufgaben von Übungszettel trotz genauem Studium der Vorlesung fast unmöglich zu lösen sind. Das ist für mich sinnlos, denn so lernt niemand was.

Was habt ihr als trocken empfunden?

Statistik, denn das war viel zu theoretisch und man konnte danach kaum was anwenden.

Funktionalanalysis, denn unendlichdimensionale Sachen kann man sich nicht mehr vorstellen. Das war für mich eher ein Ratespiel als echte Mathematik. Und saukompliziert.

Was war besonders anspruchsvoll/schwer?

Funktionalanalysis, Algebra.

Würdet ihr sagen, das Mathestudium nimmt mehr Freizeit in Anspruch als andere Studiengänge? (Bitte nicht darauf herumhacken, nur eine Frage.)

Ja. Es kann gut sein, dass du bis spät in die Nacht bei deinen Übungszetteln hockst und kaum ein Beispiel zusammenbekommst. Da braucht man Ausdauer und einen starken Willen, nicht alles hinzuschmeißen.

Auch ist es üblich, dass man Mathe-Vorlesungen besucht bzw. die Videos ansieht, da es oft kein Skript gibt. In anderen Studiengängen gehen die Studenten nie zu Vorlesungen. Ist irgendwo auch ein Zeitersparnis.

Weshalb habt ihr euch dafür entschieden?

Weil es mich interessiert hat & die Jobaussichten gut sind. Aber ich würde das Studium nicht nochmal wählen - man investiert einfach zu viel Zeit.

Ich mache nebenbei auch Informatik und das geht viel leichter, schneller und die Jobaussichten sind wahrscheinlich besser als die eines Mathematikers.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Mathematik-Studium

Ich habe es geliebt, als ich erkannt habe, dass alles was da gesagt und gemacht wird die reine und wirkliche Wahrheit ist.

Was weniger ? Etliche Fächer haben mit einfach nicht so gut gefallen. Muß jeder selbst rausfinden, was ihm schmeckt.

Trocken? nein niemals, sehr lebendig und anregend. Wenn man auch ein Interesse für Geschichte der Mathematik hat, dann war es sogar spannend zu erkennen wie schwer man sich über die Jahrhunderte getan hat Erkenntnisse zu gewinnen, weil man noch keine komplexe mathematische Sprache entwickelt hatte.

"anspruchsvoll/schwer" Vieles war schon (zumindest für mich) sehr schwer zu verstehen. Als ich Anfänger war, wurde Fermatts Letzter Satz bewiesen (Andrew Wiles). Den kannte ich natürlich schon und der wurde immer als unbeweisbar eingestuft, aber als gültig angenommen. Ich habe dann versucht den Beweis nachzuvollziehen und bin kläglich gescheitert. Ich weiß inzwischen wie er prinzipiell geht, aber ihn zu verstehen, dazu haben meine Fähigkeiten nicht gereicht.

"nimmt mehr Freizeit in Anspruch als andere Studiengänge?" Auf alle Fälle. Ich habe etliche Semester an einer normalen Diplomarbeit gesessen. In der Zeit hatten andere in anderen Fächern schon promoviert, mit wesentlich weniger Aufwand.

Promotion brauchte etwa 2-3 Jahre.

Wenn du ein schnelles und leichtes Studium suchst, dann nimm auf keinen Fall Mathematik.


DoctorInge 
Fragesteller
 01.04.2022, 00:19

Danke für die Antwort.

Nein, ich will es wissen, da es mich interessiert. Ich möchte Lehramt studieren (Österreich) und als Fach juckt mich schon irgendwie Mathematik. Ich mag es auch in der Schule sehr gerne.

Als zweites Fach würde ich eine Sprache oder Kunst nehmen, das weiß ich noch nicht genau.

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bergquelle72  01.04.2022, 00:33
@DoctorInge

Als Lehramtler kommst du gar nicht bis zur richtigen Mathematik vor.

Aber ich rate dir dringend, wenn du diese Chance hast - leider wird es nicht an vielen Unis gelehrt - etwas über Geschichte der Mathematik zu erfahren. Wie wurde welches Wissen gefunden, wie schwer hat man sich mit neuen Erkenntnissen getan und vor allem, wie wurde die mathematische Sprache entwickelt? Es ist wahnsinnig interessant, wie schwer es Eukild oder Pythagoras hatten ihre Erkenntnisse zu formulieren und auch weiterzugeben. Und noch bis ins späte Mittelalter kamen neue Erkenntnisse kaum voran, weil man sie nicht sauber formulieren konnte. (und natürlci vor allem wegen der katholischen Kirche). Und noch Newton und Leibniz taten sich schwer zu erkennen, dass sie dieselbe Infinitesimalrechnung gefunden hatten, weil sie völlig verschiedene Notationen verwendeten. Das wurde erst von den Nachfahren zusammen gefügt und sie haben lange darüber gestritten wer von beiden von wem abgeschrieben habe. Wir wissen heute, dass sie tatsächlich dasselbe aus verschiedenen Richtungen kommend, gleichzeitig entwickelt haben.

Sowas in der Schule mal in den Unterricht einzubauen fände ich spannend.

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DoctorInge 
Fragesteller
 01.04.2022, 02:31
@bergquelle72

Wie hoch ist eigentlich der Anteil am Beweisenmüssen im Mathestudium?

Übrigens, die Geschichte der Mathematik fände ich auch interessant.

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MeRoXas  01.04.2022, 10:56
@DoctorInge

95-100%. In den Vorlesungen gibt es so gut wie nichts anderes als Beweise und das zieht sich auch auf den Übungszetteln so fort. Ab und an soll man vielleicht mal was rechnen, gerade so in den ersten zwei Semestern in Lineare Algebra, aber Beweise überwiegen äußerst.

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bergquelle72  01.04.2022, 14:04
@DoctorInge

Im Mathestudium braucht man eigentlich kaum mehr etwas auszurechnen oder vorzurechnen. Das kann höchstens mal in den mathematischen Übungen vorkommen.

Es geht immer darum mathematische Sachverhalte und Aussagen zu verstehen und keiner davon kommt ohne Beweis aus. Was in der Mathematik nicht bewiesen ist, das gilt nicht.

Daher ist quasi alles was du im Studium machst direkt oder indirekt mit Beweisen verbunden.

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