Wie waren die Meinungen über Arminius?

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Velleius Paterculus und Tacitus bewerten in ihrer Darstellung Arminius nicht ausschließlich positiv, sondern auch negativ. Sie schildern von ihm sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften bzw. Handlungen. Manche Eigenschaften der Beschreibung sind auch ambivalent (zweideutig).

Daher sind die positiven Aussagen der römischen Geschichtsschreiber über einen Gegner Roms weniger erstaunlich, als dies für einen Anschein ist, der im Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussagen steckt.

Velleius Paterculus

Es gibt keine Anzeichen, Velleius Paterculus habe seine Aussagen über Arminius nicht wirklich ernst gemeint.

Velleius Paterculus betont, der Statthalter Publius Quinctilius Varus habe versagt, indem er ein unfähiger militärischer Anführer gewesen sei, geistig unbeweglich, in falscher Einschätzung der Lage sich in Germanien wie in sicherem Frieden verhaltend, leichtsinnig Arminius vertrauend. 

Velleius Paterculus beschreibt Arminius als einen jungen Mann vornehmer Herkunft, kräftig und tapfer, von schneller Auffassungsgabe, mit einer über das Maß von Barbaren hinausgehenden geistigen Begabung, in Miene und Augen Glut/Eifer/Leidenschaft (lateinisch: ardor) zeigend, im römischen Militärdienst tätig und mit römischem Bürgerrecht und sogar dem Status des römischen Ritterstandes ausgezeichnet, die unachtsame Trägheit des römischen Anführers als Gelegenheit zu einem Verbrechen nutzend und dabei klug vorgehend (2, 118, 2). Nachdem er eine größere Anzahl für seine Pläne gewinnen konnte, legte er die Zeit für einen Hinterhalt fest (2, 118, 3).

Velleius Paterculus berichtet von großen Fähigkeiten, die Arminus hat, verurteilt aber unter rechtlichem und moralischem Gesichtspunkten sein Handeln gegen die Römer, das zur Vernichtung dreier römischer Legionen führt, als Verbrechen (lateinisch: scelus). Arminius erscheint insofern gegenüber den Römern als ein undankbarer Verräter.

Tacitus

Tacitus beurteilt das Vorgehen des Arminius gegen die Römer als Treulosigkeit (lateinisch: perfidia), im Gegensatz zur Treue (lateinisch: fides) des romfreundlichen Cheruskers Segestes (Annales 1, 55, 1). Er nennt ihn einen Aufwiegler (lateinisch: turbator) Germaniens (Annales 1, 55, 2).

Nach Auffassung von Tacitus, Annales 1, 57, 1 hat Arminius Wagemut/Kühnheit (lateinisch: audacia). Er schreibt ihm angeborene Heftigkeit/Leidenschaftlichkeit/ungestüme Wildheit (lateinisch: violentia) zu (Annales 1, 59, 1).

In der Wiedergabe von Mitteilungen überlebender römischer Legionäre wird von Galgen und Martergruben erzählt, die Arminius Gefangenen der Varuslegionen herrichten ließ, und von Übermut (lateinisch: superbia), wie er mit römischen Feldzeichen und Adlern Spott getrieben habe (Annales 1, 61, 4).

Tacitus schildert eine gehässige Äußerung des Markomannenkönigs Marbod während eines Krieges mit Arminius, der wahnsinnige und der Kriegsführung unkundige Arminius maße sich fremden Ruhm an, weil er drei umherschweifende Legionen und den keinen Betrug erkennenden Anführer durch Treulosigkeit (lateinisch: perfidia) getäuscht habe, was großes Unglück für Germanien und eigene Schmach gebracht habe, da seine Ehefrau und sein Sohn noch jetzt Knechtschaft erduldeten (Annales 2, 46, 1).

Tacitus schreibt Arminus nach der Vertreibung Marbods ein Streben nach Königsherrschaft (lateinisch: regnum) zu, wobei er die Freiheitsliebe seiner Landsleute gegen sich gehabt habe, nach wechselhaften Kämpfen sei er durch heimtückische Hinterlist von Verwandten umgekommen. Arminius sei unzweifelhaft Befreier (lateinisch: liberator) Germaniens gewesen und habe das römische Volk zur Zeit seiner größten Macht herausgefordert, in den Kämpfen mit schwankendem Ausgang, im Krieg unbesiegt (Annales 2, 88, 2). Arminius sei 12 Jahre an der Macht gewesen und werde noch bis jetzt bei Barbarenvölkern besungen (Annales 2, 88, 3).

Tacitus würdigt also Arminius stark für eine außerordentlich große Leistung, beurteilt aber sein Verhalten gegenüber den Römern als Treulosigkeit. Tacitus ist zu Respekt vor einem römischen Gegner fähig und kann die Wirkung seiner Kriegführung gegen die Römer als Befreiung einordnen, indem die römische Herrschaft über einen bestimmten Teil Germaniens nicht aufrechterhalten wird. 

Warum sollte es Velleius nicht so gemeint haben? Aber war seine Schilderung wirklich uneingeschränkt positiv?

Immerhin schildert er Arminius zunächst so, dass der Leser erkennt, dass aus einem Barbaren ein Römer geworden war, der seine militärische Erfahrung in römischen Diensten sammelte und sogar zum Ritterstand aufsteigen konnte. Seine militärischen Kenntnisse konnte er erfolgreich gegen einen unfähigen Feldherren wie Varus einsetzen. Diese Tat allerdings bezeichnet Velleius klar als böswilliges Verbrechen (scelus), denn Arminius verriet die Römer und war militärisch gesehen ein Deserteur. War er durch seine Hinterhältigkeit und seinen Verrat nicht wieder zum Barbaren geworden?

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung