Welche Bedeutung haben die Räuber-Beute Beziehungen für ein Ökosystem?

2 Antworten

Jede Räuber-Beute-Beziehung ist anders. Pauschale Aussagen über das Wirken von Prädation auf die Beutepopulation und das Ökosystem zu treffen ist deshalb sehr schwierig.

In den meisten Fällen wirkt sich die Prädation auf die Beutetierpopulation limitierend (wenn sie nicht von der Dichte abhängig ist) bzw. regulierend (wenn sie dichteabhängig ist) aus. Das heißt, dass die Population der Beutetiere kleiner ist als sie es wäre, wenn es keine Prädatoren gäbe. Bei Vögeln und Säugetieren limitiert die Anwesenheit von Beutegreifern die Population der Beutetiere den meisten Studien zufolge auf etwa 60 % der Populationsgröße.

Wenn die Beutepopulation klein gehalten wird, kann sich das auf das gesamte Ökosystem positiv auswirken, wie das Beispiel der Wiederansiedlung der Wölfe (Canis lupus) im Yellowstone-Nationalpark, USA zeigt. Dort begrenzen die Wölfe die Zahl der Wapitis (Cervus canadensis), die nahe Verwandte unseres einheimischen Rothirschs (Cervus elaphus) sind. Weniger Wapitis bedeutet, dass es weniger Wildverbiss gibt. Dadurch können junge Bäume wieder nachwachsen und es entsteht wieder ein gesunder Wald, der nämlich nach der Ausrottung des Wolfs an vielen Stellen im Park verschwunden war, weil die Hirsche alles kahl gefressen hatten. Weil die Wälder sich auf den Wasserhaushalt positiv auswirken, sind auch Arten wie Biber (Castor canadensis) und Weißkopf-Seeadler (Haliaeetus leucocephalus) wieder in den Park zurückgekehrt. Der Park ist sogar nachweislich resistenter gegen den Klimawandel geworden. Auch die Bestände der Gabelnöcke (Antilocapra americana) haben wieder zugenommen, weil die Wölfe in Konkurrenz zu deren Hauptfeind, dem Kojoten(Canis latrans) treten. Und auch die Population der Wapitis selbst hat sich durch den Wolf stabilisiert. Zuvor war sie starken Schwankungen unterworfen; mal explodierte ihre Zahl geradezu, dann brach sie wieder komplett ein, weil Krankheiten sich leicht ausbreiten konnten.

Wenn Ökosysteme durch den Menschen gestört werden, können Raubtiere aber auch eine destabilisierende Wirkung haben. Das heißt, dass die Räuber mehr Tiere entnehmen als durch die Fortpflanzungsrate der Beutepopulation wieder nachkommen. Die Population wird somit immer kleiner und kleiner und stirbt im schlimmsten Fall aus. Häufig betrifft das Gebiete, in die eine Raubtierart durch den Menschen eingeführt wurde, in denen sie eigentlich nicht heimisch waren und besonders oft sind Inseln betroffen. Viele dieser Inseln sind zuvor raubtierfrei gewesen, sodass die dort lebenden Arten nie "gelernt" hatten, sich gegen Raubtiere zu vertridigen. In Neuseeland etwa haben eingeführte Hauskatzen und Marder die Bestände der zahlreichen flugunfähigen Vogelarten stark dezimiert. Auf den Galápagos-Inseln fressen Ratten die Eier von Meerechsen und Drusenköpfen. Auf Stephens Island führte die Einfuhr von Hauskatzen zur Ausrottung des einzig bekannten flugunfähigen Singvogels, des Stephens-Schlüpfers.

In manchen Fällen kann Prädation sich auf die Beutepopulation auch gar nicht oder sogar positiv auswirken. Das ist dann der Fall, wenn die Raubtiere v. a. Beutetiere aus Altersgruppen erbeuten, die sich noch nicht oder nicht mehr fortpflanzen, also zur Reproduktionsrate nichts beitragen, etwa Jungtiere oder ganz alte Tiere. Wenn sie vorwiegend kranke und verletzte Tiere erbeuten, kann sich das auf die Entwicklung der Beutepopulation positiv auswirken, da Krankheiten oder Parasiten sich nicht mehr so leicht ausbreiten können.

Bislang wenig untersucht sind die nicht tödlichen Effekte, die Raubtiere auf ihre Beute ausüben. Die Anwesenheit von Räubern führt z. B. oft zu Verhaltensänderungen. Rehe und Hitsche etwa bleiben, wenn Wölfe oder Luchse in einer Region wieder heimisch sind, oft nicht so lange an einem Ort, sondern wechseln häufiger ihren Standort. Verbissschäden nehmen dadurch ab. Bei einigen Singvogelarten hat man zeigen können, dass Prädatoren Stress verursachen, wodurch die Gelege kleiner werden und die Vögel weniger Futter beschaffen können. Das ist z. B. in Städten der Fall, wo es besonders hohe Hauskatzendichten gibt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Räuber-Beute-Beziehungen sind entscheidend für die Stabilität und Funktionsfähigkeit eines Ökosystems. Hier sind einige ihrer bedeutendsten Aspekte:

  1. Regulierung von Populationen: Raubtiere kontrollieren die Populationen ihrer Beutetiere, indem sie ihre Anzahl begrenzen. Wenn die Anzahl der Beutetiere zu hoch wird, steigt die Räuberpopulation, was wiederum den Beutetierbestand senkt. Dieses dynamische Gleichgewicht hilft, Überpopulationen und damit verbundene ökologische Probleme zu verhindern.
  2. Bewahrung der Biodiversität: Räuber-Beute-Beziehungen tragen zur Artenvielfalt bei, indem sie das Gleichgewicht zwischen verschiedenen Arten aufrechterhalten. Ohne Raubtiere könnten bestimmte Beutetierpopulationen außer Kontrolle geraten und andere Arten verdrängen, was zu einem Verlust an Biodiversität führen könnte.
  3. Einfluss auf das Verhalten: Die Anwesenheit von Raubtieren beeinflusst das Verhalten von Beutetieren, indem sie sie zu erhöhter Wachsamkeit und anderen Verteidigungsstrategien anregen. Dies kann sich auf die Nahrungssuche, den Lebensraumgebrauch und die Fortpflanzung auswirken und damit die Struktur und Funktion des Ökosystems beeinflussen.
  4. Indirekte Effekte: Räuber können auch indirekte Effekte auf andere Arten und ökologische Prozesse haben, die über die direkte Regulation von Beutetierpopulationen hinausgehen. Zum Beispiel können Veränderungen in der Räuberpopulation eine Kaskadenwirkung auf die darunter liegende Nahrungskette haben, was wiederum Auswirkungen auf Pflanzen, Bodenqualität und andere Aspekte des Ökosystems haben kann.

Insgesamt spielen Räuber-Beute-Beziehungen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Stabilität, Vielfalt und Funktionsfähigkeit von Ökosystemen.