schäme mich für unsere NS Vergangenheit in der Familie!

33 Antworten

Der Sippenhaft haben sich u.a die Nazis bedient, die Du ja ablehnst. Es gibt keinen Grund, sich dieses Erbes anzunehmen.

Jeder ist für seine Biographie verantwortlich, nicht für die seiner Vorfahren. Aber den Gedankengang verstehe ich sehr gut. Man will etwas tuun, um die Last, die einem von den Vorfahren aufgebürdet wurde, etwas zu erleichtern. Das geht. In den Antworten auf dieser Seite wurden schon verschiedentlich sehr gute Vorschläge gemacht. Ich schließe mich dem an: Wirke in Deinem Umfeld in einem vertretbaren Umfang dafür, dass die Leute, die Deinen Großvater in ihre Heldengalerie einreihen, nicht mehr an die Macht gelangen - dann ist viel getan. Du hast sogar einiges mehr an Möglichkeiten, in dieser Hinsicht tätig zu werden. Deine Abstammung verleiht Dir zwar noch nicht die Authentizität eines Zeitzeugen, aber doch schon einiges an Gewicht.

Aber Vorsicht! Die Fanatiker bekommst auch Du sicher nicht weich. Für diese verbohrten Gestalten ist Dein Großvater ein Held und Du ein abstammungsunwürdiger Verräter. Denn, wenn man denen ihre Illusion nimmt, nimmt man ihnen alles. Und das lassen diese haltlosen Gestalten nicht zu. Eher schlagen sie um sich.


JoeWied  20.06.2012, 10:56

Sippenhaft hat mit Erbsünde überhaupt nichts zu tun.

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Bajun  20.06.2012, 12:16
@JoeWied

Lassen wir doch mal den theologischen Kram beiseite! Und natürlich haben sowohl Freislers als auch Wyschniskis als auch später Mielkes Leute Menschen in Sippenhaft genommen, die für die "geerbten" Sünden ihrer Väter und Verwandten in Haft genommen wurden. Insofern sehe ich schon gemeinsame Schnittmengen.

Und wenn Du auf die biblische Erbsünde anspielen soltlest: Natürlich sind Evas Kinder nicht in Sippenhaft genommen worden. Eher das Gegenteil. Sie wurden kollektiv aus dem Garten Eden ausgeschlossen. Also so eine Art reversen Haft?;-)

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Gelinda  21.06.2012, 09:12
@Bajun

Diese Geschichte mit dem Garten Eden ist von Männern erdacht, die die körperlichen und mentalen Vorgänge zwischen Mann und Frau nicht wirklich verstehen konnten, ( welche ja auch zu Irrungen führen können, wenn man nicht das Wissen von heute um die umfassenden Vorgänge hat ) und die - wie so oft in der Menschheitsgeschichte - einen (jederzeit verfügbaren) Sündenbock gesucht haben.

Das hängt mit der Kirche, dem Christentum, der ( Männer-)Macht, wie auch mit fehlerhaften Übersetzungen zusammen, was da alles an Märchen erdacht wurde, welche wiederum mit der Durchsetzung der (Männer-)Macht zu tun hat.

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"Wir haben ja schon welche auf dem gewissen"

Das ist eine merkwürdige Sichtweise, weil sie jeder Logik entbehrt.

Du magst dagegen einwenden, dass das nichts mit Logik zu tun habe, sondern es um Moral gehe und Logik da absurd klingt, so als würde Mr. Spock darüber reden.

Aber an der Logik ist auch hier viel Gutes und Richtiges.

Vor allem bezweilfe ich auch schon mal von vornherei, dass eine Kollektivschuld oder Kollektivscham überhaupt etwas Gutes ist. Wenn das "moralisch" sein soll, dann ist Moral etwas Ungerechtes.

Niemals wird einer dafür bestraft, was nicht er, sondern andere getan haben.

Das hat natürlich andererseits auch eine Kehrseite, die weniger gut gefällt. Es ist nämlich gerade nicht so gewesen, wie es hier von den Mainstram-Schreibern mal eben fröhlich daher geflötet wird: es seien ja ALLE Verbrecher gewesen, daher müsstest Du Dich für Deinen Opa nicht schämen (seit wann wird denn ein Verbrechen eigentlich gut, nur weil es viele tun?). Es gab im Gegenteil nur einen kleineren Teil Täter und viele, die gar keine Schuld in irgendeinem rechtlichen Sinne tragen.

Es war das Ergebnis dieser Kollektivschuld, wo alle sich etwas schuldig gefühlt haben, dass jedenfalls keiner für schuldig verurteilt und bestraft wurde. Gefühl statt Gerechtigkeit...

Gerade deswegen sehe ich diese Kollektivschuldlehre, die sich Deutschland heute selbstzufrieden als so moralische Einstellung zugute hält, für das genaue Gegenteil an: es wurde erreicht, dass die wahren Täter straffrei blieben!

Das billige Schuldigfühlen aller hat viele Unschuldige mit einem Gefühl bestraft und Deinem Grossvater die Strafe, die ihm zusteht, erspart.

Und damit wir auf gleichem Level sind, muss ich auch was zu meinem sagen (ich weiss nur über EINEN etwas): er machte zuerst bei dem Krieg mit wie Millionen andere 18-Jährige, beschloss dann aber, sich vom Feind gefangen nehmen zu lassen ("Desertion" in der Militärsprache). Vorher hatte er schon versucht, immer im Lazarett zu bleiben, indem er sich einen Finger selbst abgehackt hat.

Ich wüsste bis heute nicht, wieso mein Grossvater damit genauso "schuldig" sein sollte wie ein SS-KZ-Wärter oder Massenerschiesser.

Aber was für Grossväter noch verschieden war, ist es heute nicht mehr. Denn egal, was unsere Grossväter getan oder gelassen haben, hat mit uns nichts mehr zu tun. Wir haben unsere eigenen Gelegenheiten, Falsches zu tun. Wer sich allzuviel in vergangenem Leid und moralischen Betrachtungen darüber suhlt, kann sich damit auch ganz gut die Augen für das Heute blind machen (kann auch bequem sein...)

Vor allem sehe ich auch immer wieder, dass Deutsche ihre unbequemen Schuldgefühle, die sie meinen, wegen ihrer seltsamen "Moral" behaupten und vor sich her tragen zu müssen, gern im Nahen Osten zu lassen.

Und dann werden praktischerweise wahlweise entweder aus Juden die wahreren Nazis, über die man sich "moralisch" empört, um sich rein zu waschen, oder aus Arabern.

Beides hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun, sondern ist eine neue Fehlleistung an Mitleidslosigkeit, die Deutsche wohl nur mit ihrer besonderen moralischen Überheblichkeit zustande bringen.

Die Verstrickung in beides könnte man sich sparen, indem man diese ganze üble und stinkende Kollektivschuld-Pseudo-Ethik endlich dahin beförderte, wo sie hin gehörte.

PS: wie gesagt: ich halte gerade NICHT Deinen Grossvater für unschuldig. Die, die dazu raten, sind voller Schuldgefühle, die sie billig los werden wollen. Ich wäre dir im Gegenteil eher dafür dankbar, wenn Du Dir Gedanken darüber machst, was Du als das Richtige für ihn gesehen hättest. Hätte er hingerichtet werden sollen? Gehörte er zumindest lebenslang in ein Zuchthaus und mit Entzug der Rente belegt? Kannst Du Dir vorstellen, dass Du ihn nie im Wohnzimmersessel, sondern nur in einem Besucherraum einer Strafanstalt kennen gelernt hättest?

Das wären so praktische Konsequenzen, die man aus ernsteren Überlegungen als einem kostenlosen Schuldigfühlen nämlich vielleicht ziehen könnte (?) und die das ach so moralische Deutschland nie gezogen hat.

Aber beziehe das bitte um so konsequenter auf Deinen Grossvater, je mehr Du es von Dir löst. Das würde ich für die groössere Leistung als Dein billiges Schuldgefühl halten.

So, ob Du mit diesen sehr direkten Worten etwas anfangen kannst, überlasse ich Dir.

Was einige deiner Vorfahren getan haben, ist schrecklich. Ich kann verstehen, dass sich das belastet. Doch du musst dich nicht für etwas verantwortlich fühlen, das deine Vorfahren getan haben. Du bist nicht schuld daran, was sie getan haben. Du musst auch nicht etwas von dem wiedergutmachen, was sie getan haben. Es ist nicht deine Schuld. Vergangenheit ist Vergangenheit, wir leben im Hier und jetzt. Du hast nun die Chance, es besser zu machen wie sie und deinen Kindern mal ein gutes Vorbild zu sein. Viel glück. LG Mausiii007

Ja, da sprichst Du ein brisantes Thema an, die Welt will, dass Deutschland unter seiner Erbsünde leidet, so lange es Deutschland gibt - und fordern noch Heute Wiedergutmachungen - mal abgesehen, dass sowas ganz schrecklich ist, und nie wieder passieren darf - muß man sich fragen, was genau die gleiche Welt selbst veranstaltet? Schau doch mal genauer hin, dann stellst du fest, es ist eine gemeine Taktik, dass unsere jungen Leute Heute noch ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle haben müssen - obwohl sie unschuldig sind- genau wie in anderen Ländern auch(möchte hier keine Namen nennen) - der Hass gegen Menschen, die normalerweise Brüder und Schwestern sind, der sich seit Generationen vererbt - und Niemand weiß zum Schluss warum lustig weiter gemordet wird. Ich habe Gott sei Dank niemanden in meiner Familie, die am Massenmord beteiligt waren - höchstens ein paar Unbedeutende, die in einer Schreibstube saßen, und sich die Augen und Ohren zuhielten - das sie das getan haben, kann ich ihnen verzeihen, aus Angst sein eigenes Leben zu verlieren, hätten wir es sicher nicht anders gemacht? Was ich allerdings nicht verstehen kann, dass man so wenig Nationalbewußtsein hat, und einen Österreicher zum Führer wählt, der seine Vorlieben im eigenen Land nicht ausleben konnte - aber da sind die Deutschen dumm genug für - und gutgläubig ohne Ende - das eigene Land sauber zu halten, und lieber ein Anderes zu beschmutzen. Die Österreicher dürfen auch Heute noch ihrer Ausländerfeindlichkeit freien Lauf lassen. Als Tip von mir , kann ich Dir nur sagen, engagier Dich für den Frieden, und fange vor der eigenen Haustüre an - Vater und Mutter sind sicher genauso unschuldig , wie Du - da dürfte es doch nicht schwer fallen, zumindest mit Denen Frieden zu schliessen - die Anderen kannst Du ja meiden - denn Unwissenheit schützt vor Strafe nicht - wer Jemanden umgebracht hat- egal wen - der hat einfach keine Achtung verdient - das mußt Du trennen - die Bilder könnten sie sonst wem zeigen - aber mir eben nicht!

Dein persönliches Schamgefühl ehrt dich, an der Vergangenheit deiner Familie kannst du aber nichts ändern.

Viel wichtiger wäre es, sich mit den jetzigen Tendenzen auseinanderzusetzen und hier entgegenzuwirken. Ich bin immer wieder total betroffen, wenn ich sehe, wie sehr sich in unseren Breiten zur Zeit rechtes Gedankengut ausbreitet und mit welcher Hirnlosigkeit die Parolen oft wiedergekäut werden.

Ich würde sagen, unsere historische Verantwortung liegt darin, diese Tendenzen nach bestem Vermögen zu bekämpfen. Auch damals fing es mit "harmlosen Lästereien" gegen eine einzelne kulturelle Gruppe an - geendet hat es, wie wir alle wissen, in einem systematischen Völkermord.


shockproof  20.06.2012, 10:29

Duuuuuuu, das macht mich jetzt aber auch echt uuunheimlich betroffen, Duu! (Trenn Dich doch mal von diesem eecht uunheimlich ekligen Betroffenendeutsch für hysterische Gutmenschen).

Ad rebus: Von wegen "harmlose Lästereien"! Antisemitismus war seit über einem halben Jahrhundert schon in ganz Europa gang und gäbe. Nur dass eine perverse sehr "volksnahe" deutsche Regierung den Antisemitismus legalisiert und konsequent mit Unterstützung weiter Teile des Volkes, der Streitkräfte und den Kirchen zur Vernichtungslösung gesteigert hat.

Und gegen Hirnlosigkeit rechtes Gedankengut und verbrecherische Parolen hilft nur Bildung und Erziehung. Beides ist teuer. Das eine kostet nur Geld und Engagement und das andere nur Engagement. Aber das ist leider vielen Eltern und Politikern schon zu viel des Guten. Von selbst ist der Mesch eben nicht gut - so von Natur aus. Da muss man was für tun.

homo homini lupus est, non homo, quom qualis sit, non novit

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