Welches Ereignis hat eure Weltsicht einschneidend erschüttert oder verändert?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das war definitiv meine Zeit als Gemeinderat und Mitglied sogenannter "besserer Kreise" in meiner Heimatstadt. Dort habe ich erschüttert festgestellt, dass die scheinbar so seriösen und gut angezogenen Männer mit den schönen Autos und stilvoll möblierten Häusern; die hohen Herren, die nach außen hin immer so freundlich tun und so generös und völlig altruistisch und herzensgut, im Grunde das genaue Gegenteil von dem sind, wie sie sich gegeben haben und teilweise (ich habe keinen Kontakt mehr und wohne da auch nicht mehr) gaben.

Ich wurde sehr auf Seriosität und Gefälligkeit erzogen (wichtig waren u.a. gute Kleidung, gehobene Autos - da hat man sich sogar über Audifahrer lustig gemacht, weil die es angeblich "nicht ganz gepackt" hätten, ein "seriöser" Musikgeschmack und ähnliche Oberflächlichkeiten - das bekam ich auch alles vermittelt und hielt es lang selber auch für wichtig) und bin heute mit meinen Langarmshirt-Outfits, meinem Audi, meiner "punkigen" Freundin mit lila-roten Haaren und meinen Freunden und meinen "volkstümlichen" Hobbys wohl einer, den diese Leute für unseriös halten und auch mein Opa wäre mit mir wahrscheinlich nicht zufrieden, aber genau deswegen hat mich das so erschüttert: Ich hielt diese Leute für seriös, bis ich sie näher kennen lernte und merkte, dass jeder scheinbare "Prolet" auf der Straße, der mir immer so verächtlich gezeigt worden ist, integerer, ehrlicher, gütiger und glaubwürdiger ist als diese merkwürdige Armada von komischen selbsternannten Großkopferten.

Nur ein Beispiel: Nach außen hin taten sie so, als würden sie sich für Geflüchtete oder damals noch russlanddeutsche Spätaussiedler interessieren und ihnen helfen wollen und wenn ein Redakteur der Zeitung war, drängten sie sich alle grinsend und überschlagend vor Herzenswärme aufs Foto - aber kaum war man dann "unter sich", haben sie sich zumindest mal über diese armen Leute herablassend geäußert oder sich über sie lustig gemacht oder aber eklige braune Sprüche kultiviert.

Thema "braun": Die meisten dieser Riege waren zwar Mitglied der CDU und faselten von Demokratie, standen aber der NSDAP im Geiste näher und wären sicher Mitglied der NSDAP geworden, hätte es die damals noch gegeben. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ekelerregend; das waren so Typen, die beim Vaterunser in der kath. Kirche fast weinen und nach dem Gottesdienst gleich wieder in ihrem Nazikeller rumhocken und wirre Thesen aufstellen. Ich habe drei dieser Nazikeller - es gibt mehrere davon bei solchen Leuten in meiner Heimatstadt - gesehen und war schockiert, dass es so was in den 2000ern noch gibt bzw. wahrscheinlich gibt es die heute noch, aber es entzieht sich meiner Kenntnis.

Kaum war man wieder aus dem Nazikeller gekommen und wieder draußen, markierte man unweigerlich auf ein Neues den frommen, aufrechten, adrett gekleideten, stets korrekten Demokraten, der sich "entsetzt" zeigte über die Republikaner-Fraktion im Gemeinderat, die es damals auch gab.

Ich hatte mit so einem Typen mal ein ganz besonders beklemmendes und ekliges Erlebnis: Ich war mal mit einem Mädchen mehr oder weniger zusammen, das beidseitig oberschenkelamputiert war und im Rollstuhl saß - sie hatte die Beine im frühen Kindesalter verloren, soweit ich weiß. Als ich mit ihr mal irgendwo unterwegs war (ich hatte da kein Problem damit; sie war freundlich, hübsch, sympathisch und intelligent - wir entschieden uns gegen eine Beziehung, weil wir schon ewig befreundet sind - auch heute noch - und die Freundschaft nicht gefährden wollten, falls es nicht klappen sollte mit einer Beziehung), hat mich einer von denen angesprochen, als sie grad nicht direkt in Reichweite war und mich ernüchtert gefragt, was ich "mit so jemandem" wolle; beim Adolf hätte es so was nicht gegeben ... wie gesagt, wir sind beide Jahrgang '90 und das wird so 2012 rum gewesen sein. Schlimm; das war auch so ein CDU-Katholik. Einfach nur widerlich, ich habe dem das auch gesagt, wie verlogen und eklig ich das fand und dass ich auf seine Meinung keinen Wert mehr lege.

Das hat mein Weltbild schon irgendwie beeinflusst, anfangs erschüttert und konsterniert, später hat es meine Ansichten nur verändert. Ich habe das alles auch zum Anlass genommen, mich von denen zu distanzieren und bei den Gemeinderatswahlen nicht mehr zu kandidieren. Dann waren die zwar böse auf mich, aber es war halt mal so. Da steh' ich drüber und bin erhobenen Hauptes raus. Ich bereue heute auch nichts, es war eine wertvolle Erfahrung zu mehr Selbstbewusstsein und auf dem Weg nach vorne. 

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Der Rücktritt Kemmerichs als MP Thüringens. (u.a.)

Der Flugzeug-Terror von Al Kaida 2001.

Ich dachte damals ernsthaft, Armageddon sei ausgebrochen und Gott hätte die Flugzeuge gelenkt.

Die Pandemie.

Das Locker ein viertel der Bevölkerung in einem angeblich aufgeklärten Land zu massivster Realitätsleugnung neigt hat mich wirklich erschüttert.

Aber inzwischen kann ich es auch etwas besser nachvollziehen. Wenn selbst in angeblich zuverlässigen Medien mehr Phantasy-Geschichten beruhend auf falschen Zitaten existieren als echte Nachrichten ist es ein kleiner Schritt zu denken das man gar nichts mehr glauben kann was von denen stammt.

ein Besuch in einer KZ-Gedenkstätte und einige Demos.

Nach dem KZ war ich va gegen Nazis. Nach x Demos bin ich gegen Politik an sich. Gegen alle Lager, Politiker, Lobbyisten, Anhänger, Wähler.. alles Schwachsinn.


WilliamDeWorde 
Fragesteller
 23.11.2023, 13:11

Wofür bist du dann? Für Bürgerbeteiligung überall? War ich auch mal, aber die Erfahrung lässt sowohl an Intelligenz als auch Kompetenz zweifeln. Es schwingt sich auch in Demokratien und Genossenschaften und Gewerkschaften immer jemand an die Spitze, der dem "Pöbel" sagt, was angeblich gut für sich ist und dass man ihm hinterherlaufen soll. Die Leute weichen auch immer dem schwierigen Weg aus und heben brav ihr Pfötchen. Auch Putin wurde ja irgendwie gewählt, immer wieder.

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JodlMcSwaggins  23.11.2023, 13:27
@WilliamDeWorde

Erstmal wurde Putin nicht gewählt, nie 😅

Ich bin für garnichts. Alles bekannte hat seine Schwächen. Vlt bin ich dafür dass man mal was komplett neues ausprobiert, oder auch nicht.. mir im Endeffekt kackegal. Fakt ist irgendwer muss immer unter welchem System auch immer leiden. Es bringt nichts nachzudenken welches das am wenigsten Beschissene ist da man sich schon so sehr in den Kapitalismus verrannt hat dass es nicht möglich ist irgendeine neue Idee entstehen zu lassen. Und falls es doch jemand wagt kommt die USA und bringt dir 'Frieden'. Und Leute wollen es auch nicht anders. Wenn du äußerst dass es keine 40h-Woche braucht um sich zu versorgen giltst du als faul. Schon x mal von irgendwelchen ü40ern gehört die ein Leben lang in einem Job arbeiten mit dem sie absolut unglücklich sind, aber viel Geld abwirft. Geld das sie für ein Auto und Sprit ausgeben um zur Arbeit zu fahren und Leuten zu gefallen die sie nicht leiden können. Ich raffs nicht. Es ist so sinnlos, aber halt auch alternativlos, und damit bedeutungslos.

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WilliamDeWorde 
Fragesteller
 23.11.2023, 13:36
@JodlMcSwaggins

Am 26. März 2000 fanden Präsidentschaftswahlen statt, die Putin im ersten Wahlgang mit 52,9 Prozent der Stimmen gewann.
Bei der Präsidentschaftswahl am 14. März 2004 gewann Putin mit 71 Prozent der Stimmen und ging so in eine zweite Amtszeit. Beobachter konnten keinerlei Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf feststellen, ...
Die Präsidentschaftswahl am 4. März 2012 gewann Putin im ersten Wahlgang (wikipedia)
Wir brauchen nicht über den Wert solcher Wahlen zu diskutieren. Fakt ist, Millionen Menschen haben ihn aus Überzeugung gewählt, selbst wenn es mal nicht über 50% waren.

Bei dem Rest stimme ich dir 100%ig zu.

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WilliamDeWorde 
Fragesteller
 23.11.2023, 13:57
@JodlMcSwaggins

Es gibt auch in Deutschland sehr viele Wahlen, wo die Gewinner vorher feststehen. Die Bundestagswahl ist ja nur eine von vielen.

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WilliamDeWorde 
Fragesteller
 23.11.2023, 18:08
@JodlMcSwaggins

Sozialwahlen per Brief. Nimmt kaum jemand teil. Oder Mitgliederwahlen in der Wohnungsgenossenschaft oder im Gartenverein. Es bleiben seit Jahrzehnten dieselben am Ruder weil
a) kein anderer Lust auf den Posten hat
b) die Für und Wider gar nicht richtig zuende diskutiert werden
c) die erhobenen Hände nur geschätzt werden und auch nur die, die nicht um Ecken herum oder hinter Säulen sitzen. Da wird z.B. festgelegt: Es sind 40% anwesend. Das ist jetzt unsere 100%-Basis. - Wir haben uns mal das und das gegönnt, ohne Ausschreibung. Die Druckertinte war alle, wir haben einen neuen Drucker gebraucht nach 2 Jahren. Und den größten Mercedes-SUV, den sie hatten. Da hat es die Sonderausstattung auch nicht mehr rausgerissen. Die Revisionskommission ist einverstanden. Gegenstimmen, nein? Eine? Oder hast du nur nichts verstanden? Wer bist denn du überhaupt? Du bist doch der, der schuld ist, wenn alle noch länger hierbleiben müssen heute. Glaubst du, wir hätten nichts Besseres zu tun?

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WilliamDeWorde 
Fragesteller
 24.11.2023, 11:50
@JodlMcSwaggins

Heute kannst du ein aktuelles Beispiel miterleben: Parteitag der Grünen. Bereits vor Beginn werden Nouripour und Ricarda Lang-wie-breit als Sieger gefeiert. Was ist das für eine Demokratie? Habeck war als Parteiaushängeschild und Kumpeltyp tauglich, Richarda Lang ist Gift für eine Partei, die Stimmenschwund hat. Niemand kann sie leiden. Sie ist auch nicht charismatisch, sondern lebt in einer Traumwelt und denkt, mit diktatorischen Reden kann man punkten. Kein Typ, mit dem man verhandeln kann und schon gar kein frischer Wind. Dazu ist auch der IQ zu niedrig.

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