Hey! Tut mir leid, dass du so lange auf eine antwort warten musstest. Ich kann mir vorstellen, du hattest ein anstrengendes wochenende, so wie vermutlich jedes wochenende – zumindest war es damals bei mir so: die wochenenden waren die schlimmsten.
Der grund, warum ich dich geaddet habe, war, dass ich dir unbedingt antworten wollte auf diesen beitrag. Als ich es gelesen habe, habe ich mich selbst wiedererkannt. Und ich konnte es nicht unkommentiert stehen lassen ohne meine erfahrungen mit dir geteilt zu haben.
Also: mein mann ist drogenabhängig. Wir sind 14 jahre zusammen, davon 5 verheiratet… lass mich dir sagen: dir ein ratschlag zu geben, dich dazu zu bewegen schluss zu machen oder die hoffnung nicht aufzugeben: das wird nichts bringen. Denn du wirst das eh nicht umsetzen können. Süchtige menschen und somit auch die situaitonen sind unberechenbar. Aber vor allem: ich kenne das von mir selbst: ich habe damals dutzende fragen darüber gestellt (damals noch mit einem anderen profil) und die antwort war immer dieselbe. Antwoten, die ich nicht hören wollte. Prinzipiell wusste ich die antwort ja schon. Aber ich suchte nicht nach einer antwort, sondern nach jemanden der mir sagte: gib nicht auf, das wird schon, er wird sich ändern!
Mir ist natürlich klar, dass niemand hier hellsehen kann.. aber im nachhinein betrchtet war es nun mal das, was ich gesucht habe: jemand, der mir mal nicht sagt „mach schluss“ – das ist immer so viel einfacher gesagt als getan. Die leute haben keine ahqnung, dachte ich mir. Sie wissen nicht, wie ich mit diesem mann lebe, wie ich empfinde.. sie kennen die situation nicht. Ich kann doch nicht einfach all die jahre „wegschmeissen“ – und habe im endeffekt auf keinen gehört.
Also: vornweg: du wirst von mir hier nicht den ratschlag kriegen: mach schluss oder gib nicht auf – das bring nichts. Weil im endeffekt musst du selbst entscheiden was du tust und was nicht. Ich werde dir lediglich meine erfahrungen niederschreiben und hoffe, dass sie dir dabei helfen werden eine entscheidung zu fällen.
Die alkoholsucht meines mannes fing eher schleichend an. Dass er alkoholiker wurde, fiel mir früher auf als ihm. Deshalb habe ich mit hand und fuss versucht ihn da raus zu boxen. Er hat mich für verrückt erklärt. Ich war in seinen augen die psychopathin, die „herumfantasiert“. Meine laune stand und fiel mit seiner zusammen. Wenn er „normal“ war, war ich die glücklichste frau der welt. Denn er war perfekt. Aber wenn er seine abstürze hatte, habe ich zuhause an besagten abenden panikattacken gehabt, durchfall und zitteranfälle – so emotional abhängig war ich von diesem menschen. Dass es nicht normal war, war mir schon lange klar. Dass mich das psychisch so dermassen ruiniert hatte, fiel mir allerdings viel zu spät auf.
Ich hatte auch niemanden, mit dem ich reden konnte. Bei meiner besten freundin kam ich mir sowieso schon dumm vor, ihr an einem tag zu sagen, dass ich die fressse voll habe und meine sachen packe. Und am nächsten tag, als sie nachfragte zu sagen: hat sich gelegt, er hat geweint und sich entschuldigt und mir versprochen er macht es nie wieder. Auch mit meiner familie konnte ich nicht reden. Denn meine mutter hätte gesagt „ich habs dir doch gesagt“ und diese genugtuung wollte ich ihr einfach nicht geben – mein ego war viel zu gross. Also stand ich ganz alleine da – mit einem mann der sich vor meinen augen in den ruin treibt.
Ich habe ihn geheiratet, weil ich dachte, dass er meinetwillen aufhören würde.. hat er nicht. Als ich dann auch noch herausfand, dass er drogen konsumiert, wurde es schlimmer. Die scheidung habe ich 2 mal eingereicht. Selbst das konnte ich nicht wirkllich durchziehen. selbst dann nicht, als ich herausfand, dass er mich betrogen hat.
Ich will dir keine angst machen, denn es muss nicht bei jedem so sein, weil jeder mensch unterschiedlich ist. Andererseits will ich dir aber auch in bisschen deine naivität aus dem kopf schlagen – denn mir kann jeder erzählen was er möchte, ein vergebener mann, der nächte lang weg bleibt, würde ich nicht jedesmal blind trauen. Man sagt nicht umsonst: trau niemals einem junkie! Ich will nur sagen: vertrau deinem bauchgefühl – ignoriere es nicht!
Aber das ist eine andere (sehr lange) geschichte, auf die ich nicht näher drauf eingehen möchte, weil sie bei dir momentan (noch) keine rolle spielt (und hoffentlich nie eine spielen wird!) – darauf gehe ich erst detailiert ein, wenn du diese erfahrung machst – aber bleiben wir mal optimistisch :)
Ich habe ihm verziehen (nicht ohne weiteres – es dauerte monate, bis er wieder einzog + eine therapie) und das war dann auch die erste phase, wo er über längere zeit clean war.. leider nicht für lange, denn die nächte wurden länger, die tage wurden kürzer. Die fremgeh geschichte spielte schon lange keine rolle mehr, denn da realisierte ich, wie sich der teufelskreis bildete: er war in den drogen gefangen und er fing langsam auch an zu kapieren dass er ein problem hatte (da waren wir etwa 10 jahre zusammen). Er stürzte ab, kam dann wieder angekrochen – das wiederholte sich etwa 1000 mal, ungelogen. Immer wieder dasselbe. 5 uhr morgens war ja schon fast ein wunder. Irgendwann waren die späten morgenstunden „normal“: 9 uhr, 10 uhr.. manchnmal kam er gar nicht nachhause sondern kam erst am Sonntag. Warum ich wusste, dass er nicht fremdging? In diesem zustand ist es schlichtweg nicht möglich irgendwas einzulochen. Und es war jedesmal so, denn es war nicht wie damals, als er einigermassen noch fit war – nein. Er war richtig in der sucht drinnen. Alles was er wollte waren diese drogen. Dafür hätte er seine eigene mutter verkauft (seine worte).
Als ich keine kraft mehr hatte ihn zu halten und realisiert habe, dass man einen süchigen nicht aufhalten kann – habe ich die leine gezogen. Es war einfach nicht möglich ihn da rauszuholen. Ich war verzweifelt, hoffnungslos, unglücklich, angewidert. Einfach alles. Diese böse realität hat mich dann dazu bewegt ihm ein ultimatum zu stellen: hier sind deine koffer und die hälfte unseres restgeldes. Du kannst das nun nehmen und dich verpissen oder aber du bleibst hier und machst eine therapie & ich unterstütze dich dabei. Er hat natürlich den koffer&das geld genommen und weg war er. Diese traurige gewissheit war aber hilfreich – denn nun wusste ich was zu tun war: ich musste mich auf ein leben ohne ihn vorbereiten. Dank dieser gewissheit konnte ich zum ersten mal seit jahren eine nacht durchschlafen – wie ein baby.
Am nächsten tag kam er wortlos in die wohnung, hat noch mehr kleider eingepackt und gesagt: ich fahr zur klinik.. Und weg war er.
Ab da begann eine neue lebensphase. Er ging in diese klinik. Er wurde clean. Er trat nach 3 moaten aus. Ich hatte zwischenzeitlich eine neue wohnung gefunden, die eigentlich dazu gedacht war, dass ich allein dahin ziehe. Aber ich sah nun mal, wie anders er war, nach dieser klinik . Er wollte clean bleiben und blieb clean – 13 monate lang. Diese 13 monate waren die schönsten und glücklichsten die ich je hatte. Ich konnte ihn nicht verlassen. Ich war immernoch schwer abhängig von ihm – vorallem dann, als ich sah, wie schön es sein kann, wenn er clean ist – er war wie ausgewechselt.
Dann kam das nächste problem: ich habe borderline & depressionen seit dem teenie-alter. So schön sein cleanes leben auch war – ich konnte damit nicht umgehen. Ich habe mich dafür gehasst. Das ist doch das was ich schon immer wollte. Warum kann ich nicht einfach glücklich sein? – ich bin jeden morgen weinend aufgestanden. Warum? Keine ahnung. Heute weiss ich warum: ich war jahrelang damit beschäftigt mich um meinen mann zu kümmern. Beschäftigt mit sorgen und kummer. ich hatte nie zeit an mich zu denken. Und an meine krankheit die ich ohnehin schon hatte.
Während er clean war und sein leben neu erblühte war ich im bett gefesselt und habe mich täglich selbstverletzt. Und mir fragen gestellt wie: warum erst jetzt? Konnte es nicht irgendwie schon vor 5 jahren so sein?
Ich ging dann selbst zur klinik. Habe nach der klinik die therapie gestartet: diagnose: borderline (wusste ich ja eh schon), schwere PTBS und mittelschwere-schwere depression. Behandlung: mehrere jahre. Klasse, oder?
Mit der therapie wurde ich langsam wieder fitter. Und je fitter ich wurde, umso schwächer wurde dann mein mann. Er wurde rückfällig nach 13 monaten. Und dank meiner emotionalen abhängigkeit wurde ich auch rückfällig: ich verletzte mich wieder selbst. Und frag mich nicht wieso aber ich hab dann die therapie abgebrochen. Vermutlich dachte ich: waurm sollte ich an mir arbeiten? Mein mann tut es ja auch nicht. Aber keine angst, ich habe die therapie schnell wieder aufgenommen. Ich glaube ich habe einfach 3-4 monate „pause“ gemacht“…..
Sein rückfall dauerte 3 jahre. Drei lange jahre, die wieder von diesem teufelskreis geprägt wurden: er stürzte ab, es tat ihm leid, er macht es nie wieder, er stüzte ab, es tat ihm leid… und so weiter.
Seine hemmungen schwanden immer mehr – so dass er auch zuhause konsumierte. Teilweise vor meiner nase. Eines tages konnte ich ihm sein stoff abziehen. In seinem rausch, hat er das nicht einmal mitgekriegt. Es war nicht das erste mal, dass ich ihm sein zeug weggenommen habe. Aber ich habe es diesmal nicht wie üblich die toilette runtergespült sondern habe es versteckt. Warum? Wusste ich zu dem zeitpunkt auch nicht.
Irgendwann als er wieder eines nachts weg war um zu konsumieren, habe ich mich gefragt: was ist dieses zeug, welches einen so unbesiegbar macht, einen dazu verleitet alles zu vergessen und beziehungen und leben zu riskieren? Ich wurde neugierig. Ich habe es probiert. Ich ging in seine bar, habe mich betrunken und habe konsumiert. Da fing eine lange phase an, an welche wir dann zusammen konsumiert haben. Jedes wochenende sind wir gemeinsam raus, haben uns betrunken und konsumiert. Manchmal auch zuhause. Wie zwei junkies eben.
Als es langsam aus der kontrolle geriet, habe ich für mich selbst beschlossen: ich bin das nicht. Ich möchte das nicht sein. Ich hörte auf. Leider mit einigen rückfällen, denn mein mann hatte gar keinen anstand mehr, wedelte mit dem zeug vor meinen augen herum und ich wurde regelmässig rückfällig.
Das letzte mal dass ich konsumiert hatte, hatte ich so viel getrunken und so viel konsumiert, dass ich einen filmriss hatte. Ich konnte mich an 2 tage nicht erinnern. Von erzählungen von meinem mann habe ich erfahren, dass ich fast einen autounfall gebaut hätte um stoff zu besorgen. Das war für mich genug. Ich habe das zeug nie wieder angefasst – die entscheidung stand fest. Bis zum heutigen tag habe ich nie mehr einen tropfen alkohol oder diese droge zu mir genommen.
Ihn hat das nur für einen kurzen moment abgeschreckt. Er hat weiter gemacht und wir standen dann da wie am anfang: er konsumierte, ich war zuhause und versteckte alle karten und das geld. Gegen ende, war es so shclimm, dass er die ganze hütte auseinander nahm um unser geld und unsere karten zu finden.
Eines tages, als er draussen war, bat ich ihn nahchause zu kommen. Er kam. Und habe ihn durm gebeten seine koffer zu packen und sagte: „meins chatz, du sagtest letzte woche, dass ich dir nie wieder die koffer packen werde – werde ich nicht. Diesmal machst du es selbst“ – er tat es und er ging. Das war genau am 29.12.2022.
Zwei tage später (01.01.2023) rief er an und sagte: „das war das erste mal, dass wir nicht zusammens ilvester gefeiert haben. Ich habe es verschlafen. Ich habe ds gefühl, ich vrschlafe und verkonsumiere mein ganzes leben. Ich will das nicht mehr. Ich will aber auch nie wieder ohne dich feiern. Ich fahre zur klinik“. Später, als ich ihn mal fragte, was ihn dazu bewegt hat in die klinik zu fahren, antwortete er: an diesem tag als ich meine koffer gepackt habe, bin ich in dne keller und wollte mich überdosieren. Es hat nicht funktioniert,mein ganzes zeug war in einem zug weg. Mir wurde klar, was für eine toleranz ich aufgebaut hatte. Und weil ich nichts mehr hatte, bin ich auf öffentlichen toiletten auf allen 4en gekrochen um nach stoff auf dem boden zu suchen….
Jedenfalls…er ging zur klinik. Er blieb 3 monate lange & er ist wieder clean. Bis heute. 6 monate lang. Und es ist wieder genauso wie damals. Sogar noch sehr viel besser, denn diesmal hat man bei ihm ADHS diagnostiziert, er wurde medikamentös richtig eingestellt. Aber vor allem: wir sind psychisch nun beide auf dem gleichen niveau stabil (das war damals ja nicht so). wir sind so glücklich wie nie. Und da wird so bleiben. Zumindest hoffen wir das :) Ich bin immernoch in therapie & er auch. Wir arbeiten fortlaufend an uns.
Und nun zu dir:
ich bin nun schon sehr lange auf gutefrage unterwegs und teile meine erfahrungen mit leuten die es benötigen – aber so detailliert bin ich nie auf ein beitrag eingegangen – dein beitrag hat mich einfach zu sehr an mich selbst erinnert.
Bei mir ging es am ende gut aus. Aber wenn ich jetzt in die vergangenheit zurückgeschleudert werde mit meinem heutigen wissen, könnte ich dir nicht zu 100% sagen, ob ich das wieder genauso machen würde. Der kampf dauerte einfach viel zu lange. Er war viel zu kräftezerrend – klar, am ende hat sich das gelohnt. Aber zu welchem preis?!
Ich will nicht sagen, dass der kampf immer so aussieht. Bei einigen dauert es kürzer oder länger. Aber in jedemfall ist es immer ein kampf den du führst. Ein süchtiger ist unberechenbar. Sie versprechen immer das, was ein cleaner halten wird. Solange dein freund also noch drin ist und nicht aufhören wird, sind das alles nur leere worte.
Vorallem aber muss dir bewusst werden: du kannst ihm nicht helfen. Ich habe es versucht, es hat mich ruiniert, mach nicht den selben fehler.
Er muss es selbst wollen. In seinem kopf muss es „klick“ machen. Vorher wird nichts passieren. Oder wenn etwas passiert, dann hält das nicht für lange. Wenn er deinetwillen aufhört, wird er rückfällig (so war es bei uns schliesslich auch).
Deine frage: macht es sinn? Na klar macht es sinn. Aber die frage ist eigentlich: hast du die kraft das auszuhalten? Willst du dir das alles antun? Weil drei jahre sucht ist noch keine zahl, tut mir leid deine hoffnungen über bord zu werfen. Ich fürchte, bei deinem freund wird das noch einige jahre dauern bis er realisiert was sache ist.
Weisst du: ich bin prinzipiell nicht viel anders als alle anderen leute hier auf gutefrage: meine neutrale antwort wäre: tu dir das nicht an – ich weiss wie das ist. Ich habe so viel und so lange gelitten nur um erst nach 14 jahren wirklich glücklich zu werden. Das ist eine viel zu lange zeit.
Aber ich weiss auch, dass es nicht einfach ist, alles wegzuwerfen. Andererseits habe ich von der sucht meines mannes auch erst nach 9 jahren erfahren – du weisst es bereits nach 3. Du hast also sehr viel mehr möglichkeiten als ich, vorallem aber musst du keine 2 tonnen papier vorbereiten um dich zu trennen.
Vielleicht macht es auch sinn, sich erstmal nur räumlich zu trennen und eine therapie anzufangen, damit du etwas klarer im kopf wirst und zumindest deine emotionale abhängigkeit therapierst.
(weiter in den kommentaren)